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Menschen bei start – Franziska
„Ihre Mobilität ist eingeschränkt.“ – Werkstudentin HR bei start
Franziska unterstützt Start Taunus in Personalbelangen und macht ihre ganz persönlichen Erfahrungen mit dem SNPV, mobilitätseingeschränkt, mit ihrem Rollstuhl.
Bist du gut hergekommen?
Heute und hier nach Königstein hat es gut funktioniert, wie meistens. Ich nehme den Bus und bin kurz später hier. Da es ein Niederflurbus ist, kann ich leicht hineinfahren (wenn die Rampe im Bus nicht gerade festgerostet ist) und dann meinen Rollstuhl mit dem vorgesehenen Anschnallgurt fixieren.
Das klingt reibungslos, ist das immer so?
Nein. Meine Mobilität mit dem ÖPNV / SPNV ist leider sehr eingeschränkt und behindert mich doch immer wieder sehr – der Weg zu einem barrierefreien Vorankommen ist noch weit. Letzte Woche habe ich ins Büro in Frankfurt aus dem Frankfurter Umland 2 1/2 Stunden gebraucht.
Was sind die Hürden im Einzelnen?
Die Hürden sind vielfältig, es beginnt am Bahnhof, wenn der Aufzug defekt ist und ich nicht ans Gleis komme. Im U- und S-Bahnnetz in Frankfurt fahre ich dann meist wieder einige Station weiter oder zurück, um weiterzukommen, aber das ist nicht immer möglich und im Fernverkehr besonders prekär. Wenn die Infrastruktur am Bahnhof funktioniert, gibt es das Gespenst Gleiswechsel. Ich muss bei S-Bahnen immer vor zur Lok, weil der Lokführer oder die Lokführerin mich wahrnehmen muss und da die Rampe bzw. der Schlüssel zum Rampenschrank verwahrt wird. Wenn also die Fahrgäste im übertragenen Sinne ihre Beine in die Hand nehmen, bin ich der Infrastruktur ausgeliefert. Die Aufzüge sind bestenfalls in der Mitte des Bahnsteigs, logischerweise natürlich maximal an einer Stelle, was im schlechtesten Fall dann eben hinten am Zug ist. Ehe ich dann da bin, der Aufzug da und wieder unten ist und ich wieder an vorne an der Lok bin, sehe ich den Zug meist nur noch abfahren. Da im ländlichen Raum, wo ich wohne, die Taktung oft eine Stunde oder länger ist, hat das massive Auswirkungen auf meine Reise- und Tagesplanung.
Darüber müssen sich die meisten Menschen wenig Gedanken machen
Das stimmt. Da ich bis vor 4 Jahren noch viel ohne Rollstuhl unterwegs war, habe ich persönlich den konkreten Vergleich – und es ist ein enormer Unterschied, wenn man quasi alle Anforderungen erfüllt oder eben nicht. Denn aktuell fühlt es sich oft so an: Die Mühen liegen auf der Seite der mobilitätseingeschränkten Person. Ich plane vor allem meine Fernreisen zwei Wochen im Voraus und melde meine Mitfahrt an. Aber selbst dann wurde es mitunter nicht weitergegeben oder der Schlüssel für die Hebeanlage bzw. Personal, das berechtigt ist die Anlage zu bedienen, ist nicht da. Mich einfach reinheben geht nicht, was versicherungstechnische Gründe hat – auch zu meinem Schutz, falls etwas passieren sollte. Sind zu viele Fahrräder bereits in der Bahn, geht’s für mich auch schon mal nicht weiter. Das ist oft schon sehr frustrierend und erfordert ein hohes Maß an persönlicher Resilienz.
Wie hälst du diese aufrecht und oder erlangst sie wieder?
Das ist einfach Teil des Anforderungsprofils, wenn man für ein System nicht hinreichend funktioniert. Leider. Jedoch sehe ich auch die Fortschritte, die erreicht wurden: im Rahmen der Vorgaben der EU zur möglichen Teilhabe und auch der Initiativen in Deutschland selbst, auch in Form der besseren Wahrnehmung der Menschen, die im aktuellen Set-up nicht gut zurechtkommen. Mit der Erkenntnis, dass das Set-up die Behinderung darstellt und nicht die betroffenen Menschen – beispielsweise auch in Form der sehr kurzen Haltezeiten an den Bahnhöfen, von mitunter nicht einmal einer Minute. Richtig unangenehm wird es dann, wenn man als Problem dargestellt und exponiert wird – und etwa als Verspätungsgrund in der Navigator App auftaucht. Als das passiert ist, hatte ich länger mit mir zu kämpfen und auch eine E-Mail an den Kundenservice geschrieben. Konkret hatte meine S-Bahn wegen einer Signalstörung eine Verspätung von über zehn Minuten und dann kam mein Einstieg quasi hinzu. Als ich in der App nach der Ankunftszeit und meinem Anschluss gucken wollte, war der Verspätungsgrund auf „Hilfe beim Einstieg“ geändert und die gesamte Verspätung lag plötzlich auf meinen Schultern, zumindest gefühlt. Vor allem, weil ich wusste, dass auch andere im Abteil das jetzt so lesen und wer weiß wie denken oder verärgert sind. Da würde ich mir mehr Schulungen für die Wahrnehmung und sensible Kommunikation der Servicemitarbeiter im konkreten Fall wünschen.
Da sitzt du ja nun direkt an einer Quelle
Genau. Ich stoße hier auch auf durchweg offene Ohren und habe mit den Teamleiter:innen der Fahrgastbetreuer:innen und Lokführer:innen das Thema auch schon besprochen bzw. wurde ich auch direkt darauf angesprochen. Und so werden die praktischen Themen, wie auch die der Kommunikation, für die Schulungen nochmals gespiegelt und ich kann mich da aktiv einbringen. Ich kann auch verstehen, dass Menschen ohne Beeinträchtigungen, die keine Hürden erleben, an diese nicht automatisch denken. Umso wichtiger ist eine Vergegenwärtigung und eben auch Gesetze, die Barrieren abbauen. Denn auch ein höheres Alter kann dies erforderlich machen und spätestens das geht alle an, da kommen wir alle nicht dran vorbei…